02.02.2022 | Jugend

„Die Bolzplatz-Mentalität darf nie zu kurz kommen“

U14- und U15-Trainer Dennis Waldinger und Christian Reischke über Entwicklungen bei der Fortuna und im Jugendfußball

Ein Jahrzehnt lang arbeiten Dennis Waldinger und Christian Reischke, heute Trainer der U14 und U15, mittlerweile bei der Fortuna. In dieser Zeit haben sie nicht nur im Nachwuchsleistungszentrum beinahe alle Rollen ausgefüllt, die man sich vorstellen kann, sie haben auch erlebt, wie sich vieles verändert hat – das NLZ, der Jugendfußball im Allgemeinen und die Fortuna.

Dennis, Christian, was ist das Erste, an das Ihr denken müsst, wenn Ihr an Eure ersten Tage bei der Fortuna denkt?
Christian Reischke: In erster Linie die Menschen. Die damaligen Leiter Markus Hirte und Kevin Ameskamp sowie die Personen, mit denen wir die Entwicklung im NLZ seit Jahren zusammen erleben. Und dann natürlich an die Dinge, die aufgrund der damaligen Situation hier passiert sind – es kam öfters mal vor, dass man vom Training in die Kabine kam und eine Ratte in der Dusche lag. Das sind Dinge, die wir sicher nicht so schnell aus dem Kopf kriegen werden.

Ist die Kabinensituation – und die gesamte Infrastruktur – der Bereich, in dem das NLZ in den letzten Jahren den größten Schritt nach vorne gemacht hat?
Dennis Waldinger: Ja, definitiv. Wir hatten früher eigentlich immer eine Kabine für zwei Mannschaften und somit drei funktionierende Duschen für 30, 40 Jungs. Die Räumlichkeiten, die sich durch unseren Neubau mittlerweile bieten, sind eine wirklich starke Entwicklung.
Reischke: Das Gebäude ist die Basis für alles, was sich dadurch entwickelt hat. Wir konnten in Bereichen wie Athletiktraining, Physiotherapie oder Videoanalyse nur die nächsten Schritte gehen, weil der Neubau uns die Möglichkeiten dazu bietet.

Ihr seid als Trainer verantwortlich für die U14 und die U15 – sind Dinge wie Krafttraining oder Videoanalyse in diesem Alter schon entscheidend?
Waldinger: Themen wie Krafttraining und Videoanalysen gewinnen mit zunehmendem Alter natürlich an Bedeutung. In der U14 gibt es körperlich teils noch sehr große Unterschiede. Einige Spieler fangen langsam an, mit Gewichten zu trainieren. Andere arbeiten ausschließlich noch mit ihrem eigenen Körpergewicht. Unser Kraft- und Athletikraum bietet uns hier die Möglichkeit, individuell auf die Spieler einzugehen,
Reischke: Alles, was wir hier oben tun, soll letztendlich die Leistungsfähigkeit der Jungs steigern. In dieses Ziel spielen alle Bereiche rein. Dabei ist die Herausforderung, das richtige Maß zu finden, denn bei aller Spezialisierung sollen die Jungs vor allem immer noch auf dem Platz stehen und Fußball spielen.

Hat sich das Niveau im Jugendfußball Eurer Meinung nach durch die neuen Möglichkeiten, auf die viele Vereine zurückgreifen, gesteigert?
Reischke: Ja, definitiv. Das Spiel ist schneller und athletischer geworden, genau wie im Profibereich. Man merkt allerdings auch, dass die Jungs weniger Bewegungsfreiräume haben. Beim DFB und in den Vereinen machen sich viele Leute darüber Gedanken, wie man an diesen Problemen arbeiten kann.
Waldinger: Wir lassen die Jungs deswegen viel frei spielen. Die Bolzplatz-Mentalität darf nie zu kurz kommen. Wir lassen sie im Training hier und da mal selbst über die Aufstellung entscheiden und in den Sommerferien haben wir beispielsweise nach jedem Training eine Mini-WM ausgetragen, wie man sie von der Straße kennt.
Reischke: Nach wie vor sollen die Jungs vor allem auf dem Platz stehen, kicken und Tore schießen. Deswegen spielen sie Fußball.
Waldinger: Man muss auch beachten, dass die Jungs in der Schule und teilweise auch zu Hause vieles vorgegeben und abgenommen bekommen. Beim Training im Verein sind dann die gleichen Abläufe vorhanden. Sie müssen allerdings lernen, eigene und vor allem kreative Entscheidungen zu treffen. Diesen Freiraum müssen wir im Training bereithalten. Nur so ist eine gute Entwicklung möglich.

Eure Spieler sind im C-Jugend-Alter noch lange nicht fertig mit ihrer fußballerischen und körperlichen Entwicklung. Wie gut kann man in diesem Bereich schon abschätzen, ob es ein Spieler zum Profi schafft?
Reischke: Man kann es nicht bei allen vorausahnen, aber bei manchen sieht man es. Als Daniel Bunk in der C-Jugend war, war allen klar, dass er eines Tages einen Profivertrag unterschreiben würde. Natürlich ist es nochmal etwas anderes, ob sich die Jungs oben durchsetzen können, es auf den Platz schaffen und in der Bundesliga spielen können. Das kann man in unserem Altersbereich noch nicht abschätzen. Aber man erkennt Spieler, die bei normaler Entwicklung eine Chance bekommen werden, sich im Profibereich zu zeigen.

Gab es in den letzten Jahren auch Spieler bei der Fortuna, die alle überrascht haben, als sie noch ein wenig älter wurden?
Waldinger: ‚Emma‘ Iyoha war immer ein guter Spieler, aber erst in der U19 ist er so richtig durch die Decke geschossen. David Savic, der auch regelmäßig mit den Profis trainiert, ist ein ähnliches Beispiel. Er galt in der U12 oder der U13 noch nicht als der talentierteste Spieler, aber im zweiten Halbjahr in der U14 und in der U15 hat man gesehen, dass sich der Junge entwickeln kann. Es war eine interessante Situation, weil viele in seinem Jahrgang die Fortuna verlassen haben und er plötzlich mehr im Mittelpunkt stand.

Ist das die schwierigste Situation für einen Trainer? Wenn Spieler gehen, weil sie attraktiv für andere Vereine geworden sind?
Waldinger: Es nervt – aber es gehört nun einmal dazu. Natürlich hätte man manche Spieler gerne noch über einen längeren Zeitraum bei sich. Aber unsere aktuelle U17 ist ein gutes Beispiel dafür, wie es auch laufen kann: Viele aus diesem Jahrgang haben die Fortuna in den letzten Jahren verlassen, doch das war eine Chance für Spieler aus der zweiten Reihe und viele sind diesen nächsten Schritt gegangen. Und jetzt spielt die U17 eine wirklich gute Rolle in dieser Saison.

Ist es hilfreich für einen Spieler, wenn er nicht von NLZ zu NLZ wechselt, sondern sich in Ruhe bei einem Verein entwickelt?
Reischke: Definitiv, ja.

Warum?
Reischke: Es ist normal, dass es in der Entwicklung eines Spielers Dellen gibt. Natürlich geht es ab und zu auf und ab. Da hilft es, sich in einer Umgebung zu befinden, in der man weiß, dass der Trainer und die Verantwortlichen an einen glauben. Die Jungs, die am Ende oben ankommen, sind in der Regel die, die nicht beim ersten Gegenwind das Weite gesucht haben, sondern die den eingeschlagenen Weg mit den Trainern und dem Verein weitergegangen sind.

Welche Vorteile bringt es mit sich, diesen Weg ausgerechnet bei der Fortuna zu gehen?
Reischke: Wir haben gegenüber den Top-Nachwuchsleistungszentren durchaus den Vorteil, dass sich unsere Jungs hier unterschiedlichen Herausforderungen stellen müssen. Vereinfacht gesagt: In unseren nächsten zehn Spielen sind wir vier Mal klarer Favorit und müssen Lösungen gegen eine tiefstehende Mannschaft finden. Drei Mal sind es Spiele auf Augenhöhe, in denen es auf jeden einzelnen ankommt, weil ein Spieler die Partie entscheiden kann. Und drei Mal sind es Spiele, in denen wir vielleicht nicht unbedingt 80 Prozent Ballbesitz haben werden, sondern eher in anderen Spielphasen überzeugen müssen. Wenn die Jungs älter werden, kommen diese Aufgaben ohnehin auf sie zu. Da hilft es nicht, wenn man in den letzten sechs Jahren seiner Ausbildung immer vor die gleiche Aufgabe gestellt wurde und keinen einzigen relevanten Defensivzweikampf geführt hat.

Waldinger:
Das soll allerdings nicht heißen, dass wir uns nur hinten reinstellen, wenn wir mal gegen Dortmund oder Schalke spielen. Wir treten trotzdem mutig auf – das ist auch das Feedback, das wir von anderen Vereinen bekommen. Wir haben durchaus ein größeres Standing als noch vor ein paar Jahren. Wir konnten die Lücke, die existiert hat, durchaus ein wenig schließen.
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Zu den Personen:
Dennis Waldinger ist seit 2010 bei der Fortuna. Am Flinger Broich hat er seine Ausbildung absolviert und in den letzten Jahren neben seiner Trainertätigkeit zahlreiche Aufgaben im administrativen Bereich des Nachwuchsleistungszentrums innegehabt. Aktuell ist er U14-Trainer.

Christian Reischke kam 2012 zu F95. Neben seiner Tätigkeit als U15-Trainer leitet er die Video- und Spielanalyse. Zu Beginn seiner Tätigkeit am Flinger Broich war er zudem für die Fortuna Fußballschule zuständig und hat verschiedene Teams als Spezialtrainer unterstützt.

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